Spuren der Bewegung im beunruhigend schönen Zustand des Vorläufigen | Annelie Pohlen


Martin Schwenks Werk als künstlerischer Prozess

Das Atelier liegt in einem der gängigen Gewerbegebiete am Stadtrand, Gebiete, in deren Nischen sich allerhand Restfunktionen von Natur in trauter Zweisamkeit mit irgendwie für Bastler tauglichen Überbleibseln aus dem effizienzsüchtigen Produktionskreislauf finden. Ein locus amoenus für ein Laboratorium, das in seiner charmanten Mixtur aus Werkstatt und Gartenhaus einen drinnen und draußen überbordenden ‚Schmelztiegel' an Rohem, Halb-fertigem, Gekochtem beherbergt. Auch wenn manches wie noch nicht entsorgter Abfall anmutet, hier bleibt nichts auf der Strecke. Ganz im Gegenteil, was Martin Schwenk als vorläufig gescheiterte Arbeit beiseitestellt, kann später im Prozess von Reflexion und Konstruktion zu einer neuen, zu einer gültigen Form finden. Kaum zu übersehen ist, dass der Künstler – mindestens in den letzten Jahren – die Wahrnehmung seines Werks in einen subtilen Dialog mit Imaginationen von Natur gelenkt hat. Seine sich in Kunstinstitutionen auf Zeit und in öffentlichen Gebäuden dauerhaft über Wände ausdehnende und in Skulpturen kondensierte Interaktion elementarer Formen zündet im Hirn unweigerlich Imaginationen von einer Natur jenseits aller künstlerischen Eingriffe. Was auch immer Natur bedeutet, sie inspiriert die menschliche Gesellschaft als Ganzes wie deren Individuen zu wissenschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Gestaltungsprozessen.

Es geht bei Schwenk nicht um eine wie auch immer geartete oder gestimmte Mimesis von Natur, sondern um ein der Skulptur eigenes, abstraktes Gestaltungspotenzial, um im Zusammenspiel von Form und Material Schritt für Schritt ausgelotete Möglichkeiten ‚tragfähiger' Konstruktionen. Bei flüchtiger Wahrnehmung des Gesamtwerks mag der Verweis auf die Abstraktion verwunderlich erscheinen. Gilt doch abstrakte Kunst als eine der Auseinandersetzung mit dem Repertoire geometrischer Strukturen in der Fläche wie im Raum. Aus diesem Blickwinkel wird man allenfalls Schwenks frühe Skulpturen als abstrakt durchgehen lassen. Aufschlussreich sind Martin Hentschels Ausführungen zu einem Werk von 1989 [Abb. 1–1 a, S. 72]: "An der Oberseite eines hellen, geschlossenen Quaders, der sich äußerlich nicht von seinen bisherigen Arbeiten unterschied, brachte er eine tiefe Aussparung ein. In diesen Hohlraum setzte er Wasserpflanzen und füllte ihn soweit mit Wasser, bis der Wasserspiegel mit der Haut der Plastik wieder eine Ebene bildete. Da der Quader in Augenhöhe angebracht war, konnte man das Innere zunächst nicht sehen. Allein die Dünnwandigkeit der Aussparung verursachte eine dunkle Färbung im Material, ein Rechteck, das sich wie selbstverständlich in die Planimetrie der Schauseite einfügte. Wer unterdessen näher trat, dem tat sich unter dem Wasserspiegel eine kleine aquarische Welt auf, etwas, das gänzlich unerwartet schien. Die Skulptur war durch und durch ambivalent: minimalistische Form und Aquarium in eins, und insofern markierte sie einen Bruch in Schwenks bisheriger bildhauerischer Konzeption."1 Zwar taucht hier der Begriff der Abstraktion nicht auf. Doch der Verweis auf die formalen Bausteine Quader, Rechteck, Planimetrie und die Anspielung auf den Minimalismus der Form verleiten zu einem Rückblick auf die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Tatsächlich waren die Anfänge der Abstraktion gekennzeichnet durch einen bisweilen heftigen theoretischen Diskurs über abstraction und création, mithin zwischen jenen Künstlern, die tatsächlich von der Natur abstrahierten, und solchen, deren Formenwelt sich ausschließlich der künstlerischen Kreation verpflichtet sah. In den 1980er Jahren geriet selbst die unverbindlichere Version der Gegenstandslosigkeit ins Wanken. So kann heute nicht einmal mehr die Unterscheidung von figurativer und nicht-figurativer Kunst als tragfähige Basis zur Einschätzung des individuellen Werks gelten. Das entlässt keineswegs aus einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Frage, was Natur im Werk von Martin Schwenk bedeuten und welche Rolle der Abstraktion im Prozess der künstlerischen Konstruktion im aktuellen Kontext zukommen könnte. Es erlaubt indes ebenso freie wie flüchtige Assoziationen auf einem Spielfeld, auf dem die vielfältigen Formen der Abstrahierung von der Natur nahtlos übergehen in Kreationen von oder über Natur jenseits ihrer physischen Wirklichkeit. Hier gelten nicht die Regeln einer kanonisierten Stilgeschichte, sondern die aus den der Skulptur eigenen Potenzialen ent-wickelten Möglichkeiten von Gestaltungsprozessen. Dem verführerisch leichtfüßig anmutenden Auftritt von Schwenks künstlerischen Züchtungen gelingt so ein verwegener Brückenschlag zwischen Welten, deren Territorien sich eben diesem ob der je eigenen ‚Wachstumsgesetze' entziehen. Derart die gängigen Natur- und Kunstkategorien auf subtile Weise unterlaufend, vermag das hintergründig-poetische Verweissystem gar Imaginationen einer Gesellschaft beängstigend schöner Kreationen aus dem Gewächshaus des Bildhauers freizusetzen.

Was aber könnte die Tragfähigkeit eines solchen Versuchs garantieren? Welche wären die zeit- und ortlosen Stoffe und Energien, die einem solchen Prozess wenigstens im Imaginationsraum einen Status von vorläufiger Gültigkeit verliehen, ohne alsbald in heillosen oder gar kitschigen Schwärmereien von paradiesischen Zuständen im ‚Naturschönen‘ zu landen?

"Weniger Gegenstand als Spur der Bewegung"

Naturbetrachtungen, die vorgeben, mehr zu sein als ein Gefäß, in das man alle möglichen Vorstellungen von Welt und das eigene Befinden packen kann, verlieren sich in hohlem Fassadenkitsch. Schwenks Vorgehensweise legt dieses Dilemma von Anfang an offen. Nichts in der Wirklichkeit deutet auf die Möglichkeit eines Brückenschlags, auf eine Versöhnung zwischen fremden Welten, auf eine Rückkehr in paradiesische Zustände. Und nichts liegt dem Werk ferner als die Vorstellung, es könne dies seiner oder irgendeiner künstlerischen Kreation gelingen. Geht man von Konventionen der Kunst aus, dann ist Martin Schwenk Bildhauer. Er denkt, imaginiert und handelt als solcher auch dann, wenn er vermeintlich in der Fläche agiert, fotografiert, zeichnet, ganze Wände mit mehr oder minder abstrahierten ornamentalen Strukturen besetzt. Der Bildhauer formt. Das jedenfalls verbindet seine Vorgehensweise mit jener der Natur. Womit wir wieder bei der Abstraktion wären. Wie bei unzähligen Künstlern vor Schwenk und heute gilt das Interesse nicht dem schönen Bild von der Natur, sondern ihrem existenziellen Kern, der sie – wie die Skulptur – befähigt, wieder und wieder nach einem in sich stimmigen Plan zu wachsen. Dessen Komplexität im immer vorläufigen Zustand der permanenten Transformation fordert jede Auseinandersetzung mit essenziellen Fragen – nicht nur in der Kunst – bis heute heraus.

"Plastik ist weniger eine Substanz als vielmehr die Idee ihrer endlosen Umwandlung, es ist, wie sein gewöhnlicher Name anzeigt, die sichtbar gemachte Allgegenwart. Und gerade darin ist es ein wunderbarer Stoff: eine plötzliche Konvertierung der Natur. Plastik bleibt von diesem Erstaunen durchdrungen: es ist weniger Gegenstand als Spur der Bewegung."2 Was Roland Barthes in Mythen des Alltags zu einem Stoff aus dem Wirtschaftskreislauf anmerkt, lässt sich schon der sprachlichen Verwandtschaft wegen mühelos auf das plastische Handeln des Künstlers übertragen. Dies gilt umso mehr, als seine chemischen Substanzen den dynamischen Entstehungsprozess des Werks als ideelle wie materielle Konverter vorantreiben.

Der fortschrittsgläubige Mensch, ob Künstler oder Forscher, folgt der Überzeugung, dass am Ende alle Rätsel lösbar sind, dass irgendwann die jedem Teil im Universum zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten offen zutage liegen werden. Die Postulate der amerikanischen Minimalisten setzen auf die von allen Spekulationen freie, radikale Logik der autonomen, für sich selbst stehenden geometrischen Form. Ein vergleichbarer Absolutheitsanspruch ist dem europäischen Minimalismus fremd. Judds heftige Attacken auf die mangelnde Konsequenz seiner europäischen Kollegen mag in diesem Kontext ebenso aufschlussreich sein wie die Frage, ob Letztere den American way of the arts je angestrebt haben. Angesichts der naturwissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Entwicklungen sehen sich nachfolgende Generationen ohnehin frei, jedweden Absolutheitsanspruch, mithin auch den des Minimalismus, mit einer Mischung aus kreativem Zweifeln und verwundertem Staunen zu infizieren.

Mögliche Konstellationen im fragilen Zustand des Vorläufigen

In diesen Zwischenwelten findet der Künstler den Stoff für seinen abstrakten Bauplan. Im Atelier, jenem physischen wie geistigen Zwischenlager des Bildhauers, inspirieren die zunächst ohne akuten Verwertungsplan aus der Geschichte wie der Gegenwart der Zivilisation gesammelten Stoffe die künstlerische Recherche. Deren gleichermaßen logisches wie alchemistisches Verfahren zur Konstruktion von möglichen Konstellationen impliziert in jedem Stadium den fragilen Zustand des Vorläufigen. Wenig verwunderlich, dass die in oder auf geometrischen Formen platzierten plastischen Abstraktionen von der Natur ebenso wie die oben vorgestellte Transformation der minimalen Form des Quaders in einen Schaukasten für natürliche Gewächse am Ort der zeitgenössischen Kunst spontan Assoziationen mit Naturkundemuseen wachrufen. Seit den ausgehenden 1980er Jahren richtet sich die Aufmerksamkeit vieler Künstler auf jene Typen von Museen des 19. Jahrhunderts, in denen Sammeln und Forschen noch als unverzichtbare Einheit galten [Abb. 5–7, S. 82, Fotonotizen aus dem Archiv von Martin Schwenk]. Bis heute zählen zoologische Museen, Aquarien, botanische Gärten oder anatomische Sammlungen zu den bewunderten Schauplätzen universitärer und anderer forschender Einrichtungen. Die je individuellen Fragestellungen dieser historischen Forschungseinrichtungen einerseits und der Kunst andererseits mögen noch so unterschiedlich sein, in einem Punkt stimmen sie überein: Angesichts des von Innovations- und Effizienzzwängen angeheizten Wettbewerbs sich längst gegenseitig überbietender, wenn nicht gar ausgrenzender Spezialisten geht es beiden Bereichen um die kreative Freiheit von Universalgelehrten, die Wirklichkeit – oder das, was das Subjekt als solche wahrnimmt – unbelastet von zielgerichteten Definitionen zu durchforsten. Seine aktuelle Relevanz gewinnt dieser Prozess im Kunstbereich aus der kritischen Distanz der sich selbst wie ihren zukünftigen Status reflektierenden Kunst. Dabei ist immer auch das Wissen darum, dass jedwede Wirklichkeit als eine Mixtur aus Fiktion, Konstruktion und Repräsentation aufzufassen ist, Gegenstand der Auseinandersetzung für den Künstler und den Besucher.

Zu den wunderbar beiläufig eingeschmuggelten Indizien darf man noch heute jene abstrakten Skulpturen zählen, die, wie Sitzmöbel in manch traditionsreichem Kunstmuseum, dazu einladen, im Moment des Innehaltens die gleitenden Übergänge zwischen den autonomen Formen der Kunst und deren Funktion – als Bank, Sockel, Wandbord oder Vitrine – im Ausstellungsraum wahrzunehmen. Was dieses Zurschaustellen allerdings von den geläufigen Kunstdiskursen unterscheidet, ist ein ironisch-distanzierender Unterton der in und durch die bildhauerische Transformation der Baustoffe infiltrierten Aura des Unfertigen. Ebendiese fragile Existenz im Vorläufigen verleiht dem Spiel mit den nicht nur koexistierenden, sondern offenbar problemlos ineinander verwobenen geologischen, organischen und funktionalen Formationen die verführerische Komplexität unvorhersehbarer Züchtungen. Vereinnahmung durch die selbstgewissen Verfechter von Deutungshoheiten in Kunst, Wissenschaft und Alltag halten solche Formationen mühelos auf Distanz. Aus den einst zum Schutz hehrer Trophäen und Kulturgüter üblichen wissenschaftlichen und musealen Repräsentationsvehikeln entlassen, erproben Martin Schwenks Formen der Abstraktion fortan zunehmend den ‚unvermittelten' Auftritt im Ausstellungsraum.

Eine kleine Arbeit aus dem Jahr 1992 [Abb. 2, S. 72] lässt sich – vom Künstler intendiert oder nicht – wie ein eher beiläufiges Zeichen möglicher Übergänge lesen. Ein Wandobjekt aus Gips, Glas und Lack suggeriert einen Zwitter zwischen Reliquienschrein und Fenster. Die Gipsverstrebungen gliedern die lackierte und folglich blinde Glasfläche in dem aus gleichem Rohstoff gefertigten ‚Kasten' wie ein dem freien Fluss der Rohstoffe zu verdankendes Ornament. Auch das Ornament hat seinen Ursprung in den Studien nach der Natur. Seine kultische Bedeutung hat es jedoch längst eingebüßt. In seiner anhaltenden Zweckentfremdung ist es zum Massendekor verkommen. Die Kunsthandwerkerfront hält allerhand Variationen und Abweichungen bereit. Wer hätte nicht im Fantasiedschungel der ausufernden Suburbias Bleiverglasungen von vergleichbar freizügiger Materialgerechtigkeit gesehen? Nur, Schwenks unbetiteltes Werk entbehrt eben dieser wie jeder anderen Funktion. Es verhehlt nicht, dass es zu nichts taugt als zu seiner nachgerade poetisch beschwingten Nutzlosigkeit.

Ein entscheidender Schritt gelingt dem Künstler schließlich 1996 [Abb. 3–3 a, S. 73] mit einer zweihundertteiligen Arbeit, deren in Größe und Farbton je individuelle Teile einen lang gestreckten Museumsraum fluten. Ihre in Form und Farbe auffällige Verwandtschaft mit Schirmpilzen erscheint verlockend für einen begrifflichen wie formalen Brückenschlag zwischen Natur- und Zivilisationsraum. "Der Pilz ist wie eine architektonische Grundform, Säule und Dach, wobei das überstehende Dach so etwas wie heimeligen Schutz suggeriert."3 Die informelle Platzierung der Spezies im Raum weckt zudem Vorstellungen von einem animalischen Rudel auf dem Weg in bessere Siedlungsgebiete. So, wie sie da stehen, könnten die Objekte der Größe wegen aber ebenso als Tische für große und kleine Gäste in Ferienparadiesen dienen. Es ist wohl nicht zuletzt dem extrem lang gestreckten Ausstellungsraum zu verdanken, dass diese für sich genommen einfachen, quasi-geometrischen Gebilde aus Stab und Kreisfläche bei ihrem ersten Auftritt eine derart verwirrende sinnliche und geistige Dynamik erzeugen. All diese Schirmpilzsimulanten siedeln dort, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt – oder doch wenigstens so, als seien sie dort auf einer Zwischenetappe der Evolution ihrer eigenen Vorstellung von Natur, Architektur und Kunst. Zu den in unserem Zusammenhang schönsten‚ verbalen Erfindungen' der Evolutionsforschung kann man – ganz unwissenschaftlich – die ‚ökologische Nische' zählen – mit dem wiederum korrekten Hinweis, dass ebendiese keineswegs einen geografisch bestimmbaren Ort, sondern einzig einen vorgestellten Raum impliziert. Was die Arbeit von 1996 tatsächlich in ihrer variablen Formation als Erfindung auszeichnet, ist die einer imaginierten Evolution geschuldete Dynamik der Fortpflanzung im Raum. Deren momentaner Stillstand mag in der Wahrnehmung allenfalls als Mimikry durchgehen.

Ambivalenz von Verführung und Befremden, Annäherung und Unnahbarkeit

Die Erforschung der materiellen oder funktionalen Beschaffenheit von Pflanzen als eines für die Versuchsanordnungen des Bildhauers inspirierenden Potenzials nimmt in den folgenden Arbeiten Fahrt auf. 1997 entsteht eine Bodenskulptur [Abb. 4, S. 73] aus Polyester, Acrylglas und Acrylfarbe. Die Aufzählung der Materialien weckt nicht unbedingt hochfliegende Erwartungen. Wie eine Formation nach dem Ebenbild siamesischer Drillinge aus exotischen Welten posiert die unbetitelte Skulptur im Raum. Was ist an diesem Gebilde wie an vergleichbaren ‚Züchtungen' derart verführerisch, dass man geneigt ist, sie schön zu nennen? Sind sie es, weil sie aller Künstlichkeit zum Trotz an Blumen erinnern, in den Anfängen zuallererst an jene, die sich durch ihre exotische Pracht dem alltäglichen Gewächs am Straßenrand überlegen zeigen? Bei genauer Betrachtung sind diese und verwandte Arbeiten aus der Werkstatt des Bildhauers nicht einmal luxuriös. Ihr Rohstoff ist von frappierender Alltäglichkeit. Ihr Aufbau verrät den das Verfügbare intelligent auslotenden Bastler. Ihren Halt verdankt sie drei eher uneleganten, zwischen gelb- und rot- bis braunstichiger Färbung schillernden Formen der Art, wie man sie aus der Abteilung Knollenpflanzen in Gartencentern kennt. Aus ihnen schwingen sich mehr oder minder transparente grüne Stängel und lang gezogenes Blattwerk suggerierende Formen nach oben, wo ihnen die Krönung ihrer fantastischen Evolution in Form einer seltsamen Mixtur aus Blütenkelch, Narrenkappe und Lampenschirm zuteilwird. Zwischen 1996 und 2001 [Abb. 8–10, S. 83] entsteht eine ganze Folge solcher Skulpturen. Die Materialien sind vergleichbar. Nicht alle sind derart ausladend wie die eben vorgestellte. Mehrheitlich stehen sie als Solisten im Raum, auf Füßen, denen – selbst bei zartfarbiger Tonalität – die Qualität knolliger Wurzeln anhaftet. So wie ihre oberen Teile mal eher Vorstellungen von Blütenkelchen, mal eher von Jugendstilleuchten suggerieren, mag man nicht so recht entscheiden, ob diese fragilen, im Raum zwischengelandeten Kreaturen mit der Natur, der Dekorations- und Kreativindustrie oder der Grundlagenforschung in Wissenschaft und Kunst um die schönsten Formen konkurrieren. Als sicher kann allenfalls gelten, dass es sich um Formen handelt, denen etwas aus vielerlei Kontexten irgendwie Vertrautes anhaftet. So selbstverständlich, wie sie den Raum okkupieren, könnten sie sich schon immer dort aufgehalten haben.

Es würde nicht einmal verwundern, wenn sie dort über Nacht herumstreiften, um dem Besucher anderntags an anderer Stelle zu begegnen oder ganz verschwunden zu sein.

Im Kern spiegelt diese radikale Freisetzung von spezifizierbaren Definitionen am ehesten das, was sich in Schwenks Vorstellung von Abstraktion verdichtet und sie befähigt, den Besucher in ein unkalkulierbares Schauspiel virtueller Erscheinungen zu locken. Es ist ein wenig so, als hätten sich die plastischen Gebilde aus ihren vormaligen Schutzräumen befreit, um nun im architektonischen Raum als Chiffren oder Katalysatoren alle theoretisch sortierten Wahrnehmungsprozesse in intuitive oder gar emotionale Abschweifungen zu verstricken. Zu den vermutlich entscheidenden Auslösern dieser Prozesse wird man den im ersten Moment der Begegnung reflexartig zündenden Eindruck von Schönheit und Fragilität rechnen. Ist es nun die vermeintliche Fragilität der physisch anwesenden Skulpturen oder die jeder Vorstellung von Schönheit immanente Fragilität, deretwegen diese Wesen Distanz halten? Oder ist es die dem Werk innewohnende Ambivalenz von Verführung und Befremden, Annäherung und Unnahbarkeit, deretwegen die Wahrnehmung den Halt in ihren zuvor ordentlich sortierten Archiven verliert?

Kurzschlüsse im Feld kreativer Recherche

Der im Konsumalltag bereitgestellten Idyllenkonstruktion aus Schönheit und Natur widersetzen sich die Arbeiten jedenfalls ebenso unprätentiös wie allen Verheißungen, es könne gelingen, ihnen eine letztgültige materielle Form zu geben. Hier wird nichts vorgetäuscht. Hier liegt alles offen. Die Rohstoffe, denen diese eigensinnigen Wesen ihr Wachstum verdanken, sind neben den schon genannten – Polyester, Acrylglas, Acrylfarbe, Fimo – Holz, Gips, Ton, Stoff, Gießharz, Stahl und andere. Eben solche, die jeder Baumarkt massenweise bereithält – und damit seit den 1980er Jahren auch den Bildhauern den Stoff zur Unterminierung der im heroischen Gewand der edlen Stoffe gefangenen Skulpturvorstellungen liefert. Womit ein weiterer Brennpunkt in diesem ‚infizierten Minimalismus' benannt ist: die Vorstellung von den natürlichen Gesetzen der Evolution aus dem Do-it-yourself-Laboratorium der Bau-Märkte.

Dieses Wachstum hat wenig mit der Natur, schon gar nicht mit den Gesetzmäßigkeiten der Evolution zu tun, wohl aber mit einer Wissenschaftlern wie Künstlern gleichermaßen vertrauten Handlungsform: Es sind jene bis zur Überdehnung des Untersuchungsmaterials reichenden Versuche zur Erforschung elementarer Gesetzmäßigkeiten. Nur, dass es sich der Künstler erlauben kann, zugleich mit jenem eher aussterbenden Typ von Bastler zu konkurrieren, der – ohne Gängelei durch Gebrauchsanweisungen und Musterbücher – unter intelligenter Nutzung naheliegender Stoffe wie Fertigkeiten effizient statt perfektionistisch sein Ziel ansteuert. Was er vor Augen hat, ist eben nicht ein vorab geplantes Endprodukt, sondern ein sich Schritt um Schritt aus den eigenen materiellen, chemischen wie physikalischen Gegebenheiten weiterentwickelndes Gebilde.

In den darauf folgenden Jahren gelingt es Martin Schwenk, die aus den Gesetzmäßigkeiten der Skulptur abgeleiteten Konstruktionsmöglichkeiten immer intensiver auszureizen. Die Leichtigkeit der in geometrischen Flächen abstrahierten ‚natürlichen' Kompositionselemente tritt zunehmend offensiver in einen Wettstreit mit der Suggestion schwerlastiger Bodenhaftung. Wie in einem Erdklumpen steckt eine aus transparenten farblosen Schläuchen geformte Struktur in der Art eines zum Himmel strebenden Jungbaumes. Jeder einzelne Ast ist mittels plastischer Masse aufgepfropft. Der Künstler agiert – was den formalen Prozess bei der Disziplinierung des Wachstums angeht – wie ein Gärtner. An den oberen Enden sprießen kreisrunde, rotbraune Acrylglasscheiben, deren Transparenz mit der silbrig glänzenden Tonmasse am Boden zu konkurrieren scheint [Abb. S. 33]. Das amorphe, klumpige Etwas widersetzt sich eher recht als schlecht der dynamischen Aufwärtsbewegung. So ‚charmant', wie diese Skulptur aus dem Jahr 2003 den Besucher im Raum empfängt, so beharrlich scheint sie auch das Ende ihrer Bodenhaftung einzufordern. Die subtil überspielten Ambivalenzen künstlerischer Experimente mit dem ‚Standort' der Skulptur im Raum treibt der Künstler in diesen Jahren in einem derart spielerisch-lustvollen Prozess voran, dass sich nolens volens die Frage stellt: Sind diese Skulpturen Spieler, die sich wenig um die strengen Regeln der Bildhauerkunst scheren? Oder sind es schlicht Fantasiegeburten einer ohnehin von wissenschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Interessenvertretern ausgiebig mit Nachschub versorgten Sehnsucht nach einer schöneren Welt?

2005 erscheint in der édition séparée des Salon Verlags eine Publikation Schwenks, die sich – widerspräche der Terminus nicht vollends der Mentalität des Künstlers – wie ein poetisches Manifest aus Worten und Bildern ‚liest'. Auf dem Cover reihen sich Namen wie Tragant, Hahnenfuß, Schraubenpalme, Queller, Knopfkraut, Mantelsamer. Innen in ruhigem Wechsel Fotos aus der Natur, Bilder aus der Architektur und Abbildungen von Skulpturen aus den Jahren 1998 bis 2003. Die eben 12 x 17 cm messende Fläche der Seiten besetzen Letztere wie fantastische Züchtungen. Im Wechsel mit den fotografischen ‚Details' von mal wucherndem, mal feingliedrigem Grün und von Innen- und Außenräumen erscheinen sie für den kurzen Moment des Umblätterns wie luxuriöse Ikonen aus einem längst verblassten Forscher- und Erfinderuniversum. Da es kein Titelverzeichnis gibt, das die Verständigung über oder die Wahrnehmungsreise durch die Publikation kanalisieren könnte, steht es dem Betrachter frei, zu spekulieren, was es nun mit den oben genannten Worten im Reigen der Bilder auf sich hat. Hahnenfuß dürfte dem einen oder anderen noch bekannt sein als eine ebenso schöne wie von Gärtnern gefürchtete Wucherpflanze. Tragant setzt schon einiges Spezialwissen voraus. Die Vermutung, dass es sich bei allen Termini um Namen von Pflanzen handelt, lässt sich schnell über Wikipedia und vergleichbare Quellen bestätigen. Darunter sind solche wie die Schraubenpalme, die in freier Natur bislang nicht gefunden wurden, mithin ‚Kulturpflanzen', aber auch solche von hohem Nutzen für chemische Prozesse wie der Queller. Die Liste der aufschlussreichen Verweise auf strukturelle wie chemische Inter-aktionen zwischen dem Potenzial der Pflanzen und jenem der Skulpturen lässt sich fortsetzen. Schwenk ist auch nicht der erste Bildhauer, der sich an alchemistischen Züchtungen von so in der materiellen Außenwelt nicht vorgesehenen Arten erfreut. Nur, dass er anders als seine Vorläufer die Paarungen derart selbstverständlich in die Öffentlichkeit entlässt, als hätte die Imagination längst Besitz von den rationalen Laboren der Wissenschaft ergriffen. Zudem ist es eben nicht das botanische Wissen, sondern die den Bildhauer herausfordernde Suggestion der Namen, die – wie eben Queller oder Schraubenpalme – im spielerisch komponierten Reigen der Bilder und Worte die Wahrnehmung in ineinander verwobene natürliche und kulturelle Wirklichkeitsräume treibt. In diesen siedeln die natürlichen Formen auf dem Dach eines Hochhauses ebenso selbstverständlich wie auf den Pfosten im beschnittenen Immergrün eines Miniparks. Warum sollte folglich nicht auch eine Glühlampe den Platz einer Blüte auf dem aus einem "Knollenfuß" sprießenden Schlauchstängel einnehmen?

So treiben die chemischen und formalen Prozesse in oder aus Natur und Kultur zu inspirierenden Kurzschlüssen in einem Feld kreativer Recherche, auf dem schon Piet Mondrian in fortschreitender Abstraktion von der Architektur des Baumes schließlich zur rasanten Dynamik seiner legendären Boogie-Woogie-Bilder in New York gelangen konnte. Wie anders sollte der in unzähligen Disziplinen erforschten Wirklichkeit noch irgendetwas Imaginierbares abzugewinnen sein?

Kommen wir zurück auf Martin Schwenk, den Bildhauer. Wir haben uns an den Begriff gewöhnt. Im Wortsinn trifft "bildhauerisch" auf sein dreidimensionales Werk aber nur bedingt zu. Abgesehen von minimalen Eingriffen, etwa dem Zuschneiden von Acrylglasrohren, die wie Schläuche anmuten, ist Schwenks Formprozess dem plastischen Modellieren konstituierender Teile geschuldet. Die sich aus dem komplexen Prozess des Hinzufügens und Verbindens frei in den Raum entwickelnden Formen treiben ein irritierendes Spiel mit Erwartungen, es könne einer Gesamtkomposition gelingen, widerstreitende Schwerkräfte auf immer zu versöhnen. Nur, dass die Wahrnehmung das tatsächliche Gewicht der zu einer plastischen Einheit komponierten Teile nicht präzise einzuschätzen vermag. Was hält diese Mutanten am Boden? Ist die aus Gips geformte Knolle tatsächlich so schwer, dass sie sich der nach oben strebenden Dynamik der aus ihr herauswachsenden ‚Ast-' und ‚Blattformationen' aus Acrylglas, Polyester oder Fimo widersetzen könnte? Ist es verwunderlich, dass diese Skulpturen in den letzten Jahren im Raum vagabundieren, aus Wänden und gar kopfüber von der Decke wachsen, ganz so, als hätten sie in der ihren Wachstumsgesetzen eigenen Dynamik ihrer Bodenhaftung abschwören können? Sicher hat Martin Schwenk die skulpturimmanenten physikalischen wie chemischen Potenziale aus dem Spannungsfeld von Bodenskulptur und Mobile nicht noch einmal erfinden müssen. Ganz im Gegenteil, die offene Nutzung des (historisch) Verfügbaren zählt zu den konzeptuellen Grundlagen seiner Gestaltungsprozesse. Wie anders sollte der in unzähligen Disziplinen erforschten Wirklichkeit noch irgendetwas Imaginierbares abzugewinnen sein, wenn nicht durch das Hinzufügen und Verbinden der vorhandenen, in unzähligen Schubladen etikettierten Teile zu einer dem zielgerichteten Wissen widerstrebenden Form? Derart selbstverständlich im künstlerischen Prozess zwischen den tradierten ‚Gesetzmäßigkeiten' plastischen Modellierens und skulpturalen Bauens hin und her gleitend, katapultiert der Künstler die individuelle Wahrnehmung der künstlichen Züchtungen in einen das formale Wissen mit den existenziellen Imaginationen verbindenden Balanceakt zwischen charmierenden wie bedrohlichen Erfahrungen.

Die über Jahre auf der Suche nach tragfähigen Interaktionen zwischen Stoffen und Formen erprobten Möglichkeiten bergen das Risiko der Routine. Nichts aber ist Martin Schwenks Werk fremder als die Einrichtung in lediglich perfektionierten Versuchsanordnungen. Verstärkt durch den fortschreitenden Verzicht auf Farbe, tritt seit 2008 die ganz aus der Eigendynamik der Formen schöpfende Abstraktion offensiv in den Vordergrund. Sichtbar reduziert auf eine nachgerade rüde bipolare Spannung zwischen den materiellen und formalen Komponenten, drängen Strukturen hier wie feingliedrige plastische Skizzen, dort wie kompakte Ladungen ineinander verschobener teigiger Fladen in den Raum. Die Grundformen sind in ihrer mal eher amorph wuchernden, mal in sich geschlossenen Struktur von derart vertrauter Einfachheit, dass schon der Versuch einer detaillierten Beschreibung ins Banale driftet. Umso offensiver besetzt deren zwischen Kondensation und Expansion balancierendes Mit-, In- und Gegeneinander im Gefüge der Komposition nicht nur den physischen Raum der Architektur, sondern vor allem den mentalen Raum der Wahrnehmung. Alles in dieser zunehmend radikaleren Auslotung der Spannungen zwischen den jedem Werkstoff eigenen Qualitäten, dessen plastischer Eigengesetzlichkeit im Wettstreit mit dem künstlerischen Konstruktionsplan entzieht sich dem unmittelbaren Zugriff formaler oder gar narrativer Deutung. Nichts mimt ein irgendwie zu be-nennendes ‚Gewächs' aus der physischen Wirklichkeit. Was die Imaginationen eines eingefrorenen Zustands der Evolution provoziert, sind die im Arbeitsprozess ausgeloteten Wachstums- und Mutationspotenziale der Stoffe, darunter vor allem PU-Schaum, im Zusammenwirken der Formen. Da schieben sich teigige Fladen unterschiedlicher Größe zu in die Fläche quellenden ‚Landschaften' ineinander, schrauben sich schwammartige Gebilde an einem zwischen Boden und Decke eingeklemmten Holzstab nach oben, wo sie als absonderliche Bildhauerpflanzenformation nicht mehr davonkommen können. Ruppige Strukturen halten wie trotzige Chiffren einer von der Zivilisation um ihre Schönheit gebrachten Natur auf Distanz. Knorrige Gebilde lehnen an der Wand oder baumeln von der Decke wie aus dem Nichts auftauchende Zeugen plastischer Evolutionen im andauernden Zustand des Un-fertigen. Kantige Formen überlagern sich wie aufs Land verschobene Eisschollen. Keine Regieanweisung verordnet den mal weich fließenden, mal kantig verkeilten, knorrig lastenden oder bizarr wuchernden Formen einen festen Platz im Raum. Jeder Standortwechsel dieser dem banalen Alltagsmaterial abgerungenen Formationen und jede Bewegung des Besuchers im Raum unterminiert die auf durchschaubare Kausalitäten getrimmte Ratio. Nicht bereinigte Spuren aus dem Arbeitsprozess verletzen das ungetrübte Verlangen nach edler Schönheit. Und doch sind es all die Abweichungen und ‚Verletzungen' dieser im Vorläufigen gleitenden Formen, die die verunsicherte Wahrnehmung im Gegenzug mit einer geballten Hommage an die Schönheit der im Ungewissen und Uneindeutigen kondensierten Imaginationen entlohnen.

Diese Gebilde offenbaren wenig vom Secret Life of Plants – so der Titel einer Ausstellung von Martin Schwenk in der New Yorker Galerie numberthirtyfive (2010) –, dafür aber umso mehr von den Möglichkeiten der exemplarischen Erforschung des secret life der Kunst zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die Frage, ob mit der wann und wo auch immer in Gang gesetzten Zivilisation die Natur von den Menschen zurückgedrängt wird oder ob die Natur jedweder Zivilisation am Ende doch überlegen ist, kann als obsolet gelten. Ist doch schon der Begriff von der Natur allenfalls als ein Konstrukt zu verstehen oder auch als eine Projektion, in der sich der Mensch als Teil der Natur im Verhältnis zu ihr, in ihr oder gegen sie reflektiert.

Was zählt, ist eine anhaltende Recherche in beiden Territorien und schließlich die Frage, was die Natur der Kunst voraushätte? Was lässt sich, ohne ebendieser Natur ihr Territorium streitig zu machen, aus ihrem ganz und gar eigengesetzlichen Bauplan für den gleichermaßen eigengesetzlichen künstlerischen Gestaltungsprozess abstrahieren? Auch wenn die Ziele andere sind, es ist diese für sich genommen so einfache Frage, die seit jeher Kunst und Wissenschaft gleichermaßen antreibt.

Auf naturwissenschaftlicher Seite bietet die rasant anwachsende Bedeutung der Bionik allerhand einschlägige Belege für die Erforschung der Natur als Grundlage des gesell-schaftlichen, will meinen industriellen Fortschritts. Aus Ikarus, dem erfolglosen Künstler-fantasten der Antike, ist längst der im globalen Wettstreit um den Weltraum unersetzbare Biotechniker geworden. Nur, dass diesem Prototyp des ‚Genbastlers' weniger die Erforschung von elementaren Gesetzmäßigkeiten als Fundament für eine essenzielle Auseinandersetzung mit Gestaltungsvisionen vorschwebt als die um die Natur wie die Gesellschaft gleichermaßen unbekümmerte Beschleunigung ökonomischer Profitmaximierung.

Ad Reinhardts ebenso lakonische wie hintergründige Feststellung von 1962 "Kunst ist Kunst. Und alles andere ist alles andere" zählt zu den heute für alles und jedes missbrauchten Schlagwörtern im Disput um den Stellenwert der Kunst im gesellschaftlichen Kontext. Unabhängig von Reinhardts Intentionen im Umfeld seines individuellen künstlerischen Werks kondensiert in diesem Satz eine sich immer deutlicher abzeichnende einfache Wahrheit: Was auch immer das individuelle Werk in der Wahrnehmung des Autors wie in der des Betrachters ausrichtet, es ist eine künstliche Konstruktion, die für sich genommen nichts mit irgendetwas außerhalb ihrer selbst zu tun hat. Dieser vordergründig einfachen Tatsache wegen gewinnt der Betrachter in der Auseinandersetzung mit Martin Schwenks Prozessen der Konvertierung von Stoffen und Formen in für sich selbst gültige Werke der Kunst eine nicht ganz einfach auszuhaltende Freiheit: Es ist die Freiheit, jene Spur zu erforschen, die ihn befähigt, im vorbehaltlosen Dialog mit dem Werk die je individuellen sinnlichen und gedanklichen Bewegungen als Metamorphosen elementarer Energien im beunruhigend schönen Zustand des Vorläufigen wahrzunehmen.

1 Martin Hentschel, "Den Dingen ihr Geheimnis zurückgeben. Zu den Skulpturen Martin Schwenks", in: Dorothea von Stetten-Kunstpreis 1996: Ana Axpe, Jörg Herold, Gregor Schneider, Martin Schwenk, Guang Yao Wu, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bonn 1996, S. 70.

2 Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt a. M. 1967, S. 79.

3 Martin Schwenk im Gespräch zur Vorbereitung dieses Textes.

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